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Länderberichte

Die neue Regierung Senegals

Zwischen Vision und Realität

Senegal hat am 24.03.2024 mit überwältigender Mehrheit den politischen Newcomer Bassirou Diomaye Faye zum fünften Präsidenten seit der Unabhängigkeit des Landes gewählt. Knapp 10 Tage später, am 02. April 2024, wurde er offiziell vereidigt und begann sofort mit der Regierungsbildung. Der neue Präsident kündigte eine „rupture“ – einen „radikalen politischen Wandel“ an. Was ist von der neuen Regierung zu erwarten?

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Nach dem „Polit-Thriller“ rund um die Wahlen muten die Ereignisse der letzten Wochen rund um Diomaye Faye und Sonko fast ein wenig wie ein politisches Märchen an: Zwei Freunde und Parteigenossen gehen durch dick und dünn, fordern im jahrelangen Kampf in der Opposition die Regierung heraus, müssen wegen Aufruf zur Gewalt ins Gefängnis, kommen in letzter Minute durch ein Amnestie-Gesetz frei und gewinnen schließlich haushoch gegen 18 andere Kandidaten. 18 Tage nach ihrer Freilassung stehen beide nun an der Spitze der Regierung; ein starkes Narrativ hat Diomaye Faye zu Beginn seiner Präsidentschaft damit definitiv schon auf seiner Seite.

Die Vereidigung des neuen Präsidenten am 02. April 2024 verlief dementsprechend feierlich, wenn auch mit sehr viel weniger Aufwand, als man dies von seinem Vorgänger gewohnt war. Sie fand im Konferenzzentrum CICAD vor den Toren Dakars statt. Faye legte den Eid[1] auf die Verfassung ab und bekam als Symbol seiner Macht die Kette des Großmeisters des nationalen Löwenordens umgelegt[2] . Danach wurde das neue Staatsoberhaupt in den Präsidentenpalast geleitet. Nur auf dem letzten Abschnitt, der Prachtstraße Dakars, wurde er von einer berittenen Garde begleitet. Im Palast, der schon die ehemaligen kolonialen Gouverneure des Senegal beherbergte, fand dann die offizielle Schlüsselübergabe statt. Faye verabschiedete schließlich feierlich seinen Vorgänger Macky Sall.

Noch am gleichen Abend ernannte Faye wenig überraschend Ousmane Sonko[3] zu seinem Premierminister, welcher dann wiederum drei Tage später das neue Regierungskabinett bekannt gab. Die Benennung der Ministerposten wurde mit großer Spannung erwartet. Die deutliche Verkleinerung des Kabinetts von 34 auf 25 Ministerien sahen manche bereits als einen ersten Schritt hin zum angekündigten politischen Kurswechsel. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang tatsächlich, dass das Wahlversprechen, den Regierungsapparat zu verschlanken, direkt in die Tat umgesetzt wurde. Dies wird allerdings auch mit Herausforderungen einhergehen, wie zum Beispiel der sehr schwierigen Integration von ehemals anderen Ministerien zugeordneten Verwaltungseinheiten in neue Strukturen. Getroffen hat es u.a. das Ministerium der Gebietskörperschaften, das bislang  für Dezentralisierung und regionale Entwicklung zuständig war und beispielsweise die Verwaltung der 14 Regionen koordiniert hat. Jetzt rangieren die Fragen der Dezentralisierung gleich neben der Urbanisierung, sprich der Stadtentwicklung. Insofern stellt sich die Frage, ob das bisherige Plädoyer um mehr Eigenständigkeit der Regionen, z.B. in Budget-, aber auch in Kompetenzfragen, weitergeführt werden kann. Dies trifft insbesondere auf die lokalen Steuererhebungen zu, ohne die die lokale Verwaltung zusammenbrechen würde. Für Wirtschaftsangelegenheiten gibt es hingegen gleich zwei neue Ministerien, einmal das Ministerium für Wirtschaft, Planung und Zusammenarbeit sowie das Ministerium für Mikrofinanzierung, Sozial- und Solidarwirtschaft. Insbesondere letzteres könnte dazu führen, dass die Privatwirtschaft sich sehr viel mehr für direkte soziale Beteiligung engagieren muss. Das könnte sich als eine Art Daumenschraube für die bisher liberale Wirtschaftspolitik auswirken.

Auf Grund seiner mangelnden politischen Erfahrung wird sich Diomaye Faye in vielen Belangen auf die Expertise seiner Ministerinnen und Minister verlassen müssen, so dass deren Benennung großes politisches Gewicht zukommt. Ernannt wurden die folgenden Personen:

  1. Yacine Fall, Ministerin für Afrikanische Integration und Auswärtige Angelegenheiten
  2. Général Birame Diop, Minister für die Streitkräfte (Verteidigung)
  3. Ousmane Diagne, Minister für Justiz, Siegelbewahrer
  4. Général Jean Baptiste Tine, Minister für Inneres und öffentliche Sicherheit
  5. Birame Souley Diop, Minister für Energie, Bergbau und Erdöl
  6. Abdourahmane Sarr, Minister für Wirtschaft, Planung und Zusammenarbeit
  7. Cheikh Diba, Minister für Finanzen und Haushalt
  8. EL Malick Ndiaye, Minister für Infrastruktur, Land- und Luftverkehr
  9. Daouda Ngom, Minister für Umwelt und den ökologischen Übergang
  10. Amadou Moustapha Ndeck Sarré, Minister für Berufsbildung, Regierungssprecher
  11. Abdourahmane Diouf, Minister für Hochschulbildung, Forschung und Innovation
  12. Alioune Sall, Minister für Kommunikation, Telekommunikation und Digitales
  13. Cheikh Tidiane Dieye, Minister für Wasserwirtschaft und Abwasserentsorgung
  14. Serigne Gueye Diop, Minister für Industrie und Handel
  15. Fatou Diouf, Ministerin für Fischerei, Meeres- und Hafeninfrastruktur
  16.  Maimouna Dieye, Ministerin für Familie und Solidarität
  17. Yankhoba Diémé, Minister für Arbeit, Beschäftigung und Beziehungen zu den Institutionen
  18. Balla Moussa Fofana, Minister für Städtebau, Gebietskörperschaften und der Raumordnung
  19. Moustapha Guirassy, Minister für Bildung
  20. Ibrahima Sy, Minister für Gesundheit und Soziales
  21. Olivier Boucal, Minister für den öffentlichen Dienst und die Reform des öffentlichen Dienstes
  22. Khady Diéne Gaye, Ministerin für Jugend, Sport und Kultur
  23. Mabouba Diagne, Minister für Landwirtschaft, Ernährungssouveränität und Viehzucht
  24. Alioune Dionne, Minister für Mikrofinanzierung, Sozial- und Solidarwirtschaft
  25. Mountaga Diao, Minister für Tourismus und Handwerk

 

Die Staatssekretäre[4]

Neben den Ministern spielen auch die Staatssekretäre eine wichtige Rolle in der Regierung, so dass auch deren Ernennung auf großes öffentliches Interesse stieß. Sie sind den Ministerien untergeordnet, stehen in der Hierarchie aber noch vor den verschiedenen Leitungsinstanzen der Ministerien. Sie können Minister vertreten und sind für die Umsetzung der Regierungspolitik zuständig.[5] Als Staatssekretäre benannt wurden:

  1. Amadou Chérif Diouf, Staatssekretär für Senegalesen im Ausland
  2. Ibrahima Thiam, Staatssekretär für die Entwicklung von KMUs
  3. Momath Talla Ndao, Staatssekretär für Städtebau und Wohnungswesen
  4. Alpha Bâ, Staatssekretär für Genossenschaften und bäuerliche Betreuung
  5. Bacary Sarr, Staatssekretär für Kultur, Kreativwirtschaft und historisches Erbe

Wie die Auflistung zeigt, war das Duo Faye und Sonko konsequent bzgl. der angekündigten „rupture“[6], also dem Bruch mit der alten Nomenklatura. Die neue Regierung besteht aus immerhin 13 Funktionären der ehemaligen Partei PASTEF Les Patriotes, zwei Generälen, nur einem ehemaligen Minister, der bereits unter Wade gedient hat, und ansonsten eher unbekannte Persönlichkeiten aus Zivilgesellschaft und Universität. Unter den PASTEF-Größen finden sich Yassine Fall, ehemalige Vize-Präsidentin von PASTEF und jetzt Außenministerin, sowie der ehemaliger Kampagnenleiter und Mit-Gründer von PASTEF, Birhame Souley Diop, jetzt Minister für Energie, Erdöl und Minen.  Einige der neuen Minister stammen aus dem gleichen Umfeld wie Faye und Sonko, nämlich der Finanzbehörde für Zoll- und Grundstücksangelegenheiten. Einige waren während der Amtszeit von Macky Sall ebenfalls über längere Zeit in Untersuchungshaft.  Die Ernennung der beiden Generäle in den „Sicherheitsministerien“ ist ein Novum: Bislang nahmen mit einigen Ausnahmen vor allem Juristen bzw. Funktionäre mit ziviler Erfahrung die Leitung dieser Ministerien wahr. General Birame Diop[7], jetzt Verteidigungsminister, ist ein ehemaliger Generalstabschef der Armee mit internationaler Erfahrung, u.a. bei der UNO. General Jan Baptiste Tine[8], jetzt Innenminister, verfügt ebenfalls über eine bemerkenswerte Karriere in der Gendarmerie. Er war nach den Unruhen von 2021 versetzt worden. Von den altgedienten Funktionären hat es nur Moustapha Guirassy[9] als Bildungsminister in die Regierung geschafft. Er war der Kampagnenleiter von Faye und unter Präsident Wade bereits Minister für Telekommunikation und auch Regierungssprecher; er ist Inhaber einer internationalen angesehenen Managementschule, war Bürgermeister von Kédougou und Abgeordneter; er besitzt dort viel Land und setzt sich für nachhaltige Landwirtschaft ein. Bildung ist zwar ein zentrales Thema der neuen Regierung, aber diese Besetzung wirft Fragen auf, weil Guirassy eher als Geschäftsmann denn als Bildungsexperte gilt.

Auf Kritik stieß die Tatsache, dass insgesamt nur vier Frauen für Ministerposten nominiert wurden. Damit bilden Frauen lediglich 13 % der neuen Regierung, obwohl es in Senegal ein Paritätsgesetz gibt und die Gleichheit zwischen Frauen und Männern seit 2001 fest in der Verfassung verankert ist. Dies wurde bislang in den gewählten Instanzen, sprich Parlament und Gebietskörperschaften, respektiert, wenn auch nicht in der Regierung. Auch das Frauenministerium fiel den Kürzungen zum Opfer; es wurde mit dem Ministerium für Familie und Solidarität fusioniert. „Es ist nicht vorstellbar, von einer Vertiefung des demokratischen Prozesses zu sprechen, ohne dass die Hälfte der Gesellschaft effektiv und zunehmend beteiligt wird. Wir haben klare Maßnahmen zur Verwirklichung unserer Rechte erwartet und nicht die Einführung eines Instrumentariums, das zur Marginalisierung unserer weiblichen Stimmen beitragen wird.", kritisierte zum Beispiel die Vereinigung Réseau des Féministes Du Sénégal“ (RFS)[10]. Die Frauenrechtlerinnen befürchten deswegen, dass ihre Rechte einen anderen und nicht mehr paritätischen Stellenwert in Senegal bekommen. Bereits 254 Persönlichkeiten aus Zivilgesellschaft und dem universitären Umfeld sowie 17 Organisationen haben sich dafür ausgesprochen, wenigstens die ministeriellen Leitungsinstanzen und Verwaltungen paritätisch zu besetzen und die existierenden „Genderzellen“ in den Ministerien zu verstärken.[11] Ein in diesem Zusammenhang erwähnenswertes Novum für das präsidiale Protokoll im Senegal: Präsident Faye tritt gleich mit zwei First Ladies auf. Dies ist aber kulturell in Senegal akzeptiert. Alle vorherigen Präsidenten hatten nur jeweils eine Ehefrau.

Die Verkündigung der Ernennungen verband der neue Premierminister Sonko direkt mit der Ankündigung, dass sich alle Regierungsmitglieder innerhalb eines Monats von ihren sonstigen öffentlichen Funktionen und Ämtern trennen müssten[12], um sich vollkommen den Regierungsgeschäften widmen zu können. Die Ansammlung von Funktionen und die damit einhergehenden Einschränkungen der Kapazitäten für die Wahrnehmung der Aufgaben war einer der großen Kritikpunkte an den vorherigen Regierungen, unter der  Minister gleichzeitig auch Bürgermeister, Kreisratspräsident und/oder Parlamentarier sein konnten.

 

Wahlversprechen auf dem Prüfstand

Nachdem die Regierung nun steht und ihre Handlungsfähigkeit in den nächsten Monaten unter Beweis stellen muss, sieht sich der neue Präsident jetzt insbesondere vor der Herausforderung, seine Wahlversprechen auch in die Tat umzusetzen. Was aber sind die wichtigsten Aussagen, mit denen er bei der senegalesischen Bevölkerung im Wahlkampf gepunktet hat, und wie realistisch ist es, dass diese politischen Visionen tatsächlich schnell umgesetzt werden können?

1. Lebenshaltungskosten[13]

Die steigenden Lebenserhaltungskosten sind eines der akutesten Probleme der senegalesischen Bürger, bedingt v.a. durch massive Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln, die ohnehin schon subventioniert werden. Weizen wird vor allem aus der Ukraine und Russland eingeführt.  Lokale Getreidesorten können schlecht zu Brot verarbeitet werden, es fehlt an dem Klebereiweiß Gluten. Brotsorten aus Mais- und Hirsemehl, Maniokmehl oder sogar gepressten Cashew-Früchten werden zwar hergestellt, aber von der Bevölkerung nicht angenommen. Das Grundnahrungsmittel schlechthin ist weißer Bruchreis, der aber gleichzeitig als Hauptursache für die steigende Diabetesrate im Land gilt. Der existierende Reisanbau im Flussdelta im Norden und im Süden reicht nicht aus, um den lokalen Bedarf zu decken. Zudem sind diese Reissorten manchmal auch teurer als die Billigimporte aus China und Indien. Weitere Grundnahrungsmittel sind Öl aus Soja und Sonnenblumen, beides Produkte, die nicht in Senegal angebaut werden. Der ehemals sehr lukrative Erdnussanbau zur Speiseölherstellung ist auf Grund ausgelaugter Böden und Preisverfall am Weltmarkt drastisch zurückgegangen. Doch nicht nur die Preise für Lebensmittel, sondern auch für Miete und Transport haben in den letzten Jahren deutlich angezogen und stellen viele Senegalesen mittlerweile vor existentielle Probleme. Allein zwischen 1994 und 2014 sind die Mietpreise in Dakar um 256% gestiegen.[14]

2. Ressourcenmanagement

"Ich werde die Offenlegung der tatsächlichen Eigentumsverhältnisse von Bergbauunternehmen veranlassen."[15], so Präsident Faye einen Tag nach seiner Vereidigung.   Dies ist für die Wähler ein wichtiges Thema, weil schon lange vermutet wird, dass die vorherige Regierung die Interessen des Senegal in diesem Zusammenhang nicht adäquat vertreten hat [16], [17]. Außerdem ist es gängige Praxis, Schürfrechte für Gold zu vergeben, ohne die ortsansässige Bevölkerung zu konsultieren oder angemessen zu entschädigen[18]. Diese mussten immer wieder weichen und den Minengesellschaften Platz machen. Es gibt zwar bereits die Plattform „Initiative pour la Transparence dans les Industries Extractives du Sénégal“ („ITIE“)[19], in der die Lizenzvergaben aufgelistet werden. Wer allerdings tatsächlich dahinter steht, könnte für Überraschungen sorgen, denn: Lizenzen werden vom Staat vergeben, und es ist bislang nicht bekannt, wer genau (und in welcher Höhe) von diesen Vergaben profitiert hat. Interessant ist in diesem Zusammenhang aber auch die Abmilderung von Fayes ursprünglicher Aussage, denn im Wahlkampf hieß es noch pauschal, dass alle Verträge mit internationalen Unternehmen und Partnern neu verhandelt werden würden[20], damit der Senegal stärker von diesen profitiert. Jedoch wird das wahrscheinlich nur für Verträge möglich sein, die neu abgeschlossen werden. Senegal besitzt keine eigene Kompetenz, um Ressourcen selbst erschließen zu können. Zwar wurden in den letzten Jahren Ausbildungsgänge geschaffen, um Ingenieure und Facharbeiter auszubilden, aber Bildung ist ein langfristiges Investment, das sich erst Jahre später auszahlen wird.

 

3. Justizreform und Korruptionsbekämpfung

Die Reform der Justiz und die Bekämpfung der Korruption ist eine der Hauptkomponenten des politischen Programms der neuen Regierung. Mit Blick auf die Justiz wird es vor allem darum gehen, durch sinnvolle Reformen verlorengegangenes Vertrauen der Bevölkerung wieder herzustellen. Das betrifft auch das Wahlsystem; dieses wurde zwar schon mehrfach reformiert, um die Vielzahl der Bewerber auf ein überschaubares Maß einzudämmen. Es ist an sich verlässlich, aber auch sehr kompliziert. Ein erster Schritt, um die Unabhängigkeit der Wahlen auch in Zukunft zu garantieren, ist der Vorschlag der Regierung, die seit 1997 existierende Wahlbehörde CENA aufzulösen. Sie war zwar autonom, aber am  am Innenministerium aufgehängt. Sie soll durch eine neue, nach Bekunden der neuen Regierung „wirklich unabhängigen Institution“ mit dem Namen CENI – Commission Électoral National Indépendant – ersetzt werden.

Auch die im Senegal alltägliche Korruption soll durch konkrete Maßnahmen bekämpft werden. Der senegalesische Rechnungshof und die Behörde OFNAC waren bereits unter der Vorgängerregierung damit beauftragt, Berichte über Korruptionsvorwürfe zu erstellen und zu veröffentlichen – allerdings gibt es seit 2022 mindestens zehn Berichte, die unter Verschluss gehalten wurden. Deren baldige Veröffentlichung hat die neue Regierung nun bereits angekündigt. Von vielen Beobachtern wird erwartet, dass diese Berichte einiges an politischem Sprengstoff in sich bergen könnten. Darüber hinaus hat Präsident Faye außerdem eine generelle Stärkung weiterer Institutionen versprochen, die aktiv mit der Korruptionsbekämpfung beauftragt sind.

 

4. Verbesserte Berufsausbildung und Beschäftigungsangebote

Die Investition in die Bildung und Ausbildung von jungen Senegalesen sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen waren Kernversprechen, mit denen Diomaye Faye vor allem die junge Wählerschaft auf seine Seite ziehen konnte.[21] Das ist dementsprechend nun auch eine der wichtigsten Forderungen der Menschen an ihren neuen Präsidenten. Faye versprach, die existierenden Mechanismen bzgl. Bildung und Eingliederung in den Arbeitsmarkt auf den Prüfstand zu stellen. Einen Aktionsplan gibt es dazu allerdings noch nicht, lediglich die Aufforderung an den Premierminister, dafür zu sorgen, dass in den nächsten Monaten entsprechende Pläne vorgelegt werden [22].

Die Voraussetzung für Beschäftigung ist aber v.a. ein funktionierendes Wirtschaftssystem, das qualifizierte Arbeitskräfte aufnehmen kann – und welches aber so bislang nicht existiert. Die Wirtschaft Senegals besteht zu mind. 90% aus informellen Strukturen. Das Bildungssystem ist marode und veraltet und bildet nicht marktgerecht aus. Handwerk ist verpönt, qualitativ gut ausgebildete Facharbeiter wie Automechaniker, Klempner, Elektriker, Zimmerer, Maurer, aber auch Ingenieure oder Bergleute u.v.a. sind in Senegal so gut wie nicht zu finden, obwohl es einen entsprechenden Bedarf gibt. Großbaustellen beschäftigen teilweise eingeflogene Facharbeiter aus Nordafrika, China oder der Türkei. Die Masse der Menschen sind als Tagelöhner oder im Dienstleistungssektor (wie Handel, Lieferdienste, Reinigung etc.) beschäftigt. Der Staat kann all die jungen Schul- und Universitätsabgänger unmöglich beschäftigen, so dass eigentlich ein grundsätzlicher Umbau der Wirtschaft notwendig wäre.

 

Fazit: Neue Regierung zwischen hohen Erwartungen und politischen Erblasten

Die neue Regierung hat sich also viel vorgenommen und wird sich in den nächsten Monaten organisieren müssen. Die angestrebten Reformen sind tiefgreifend und werden viel Zeit benötigen, während die jungen Menschen in Senegal so schnell wie möglich politischen Wandel sehen möchten. Auch mit den Erblasten der vorherigen Regierung wird man sich auseinandersetzen müssen. Zu den „heißen“ Akten gehört beispielsweise die geforderte Reform zur Parteiengründung und -finanzierung.[23] Senegal verfügt über sehr viele Parteien, was bereits zu mehreren Anpassungen des Wahlgesetzes geführt hatte. Eine weitere Herausforderung ist der immer noch nicht vollständig beigelegte Konflikt in der Region Casamance im Süden des Landes, der seit 1982 die Entwicklung behindert. Sie gilt als ressourcenreichste Region des Senegal, hat aber mit verminten Feldern, Landraub, Schmuggel und Grenzkonflikten zu Guinea-Bissau und Gambia zu kämpfen. Eine Erbschaft Macky Salls an Faye ist außerdem auch die drastische Erhöhung der Gehälter der öffentlichen Verwaltung[24] über die letzten Jahre. Dies belastet die ohnehin leeren Staatskassen und zieht Forderungen von Gewerkschaften in anderen Sektoren der Wirtschaft nach sich, die bislang leer ausgingen.

Der ehemalige Präsident hat übrigens noch am Abend der Ernennung seines Nachfolgers das Land verlassen.[25] Er hat bereits eine neue Funktion[26] als Direktor des Pacte de Paris pour les Peuples et la Planète (4P) übernommen. [27] Dies ist eine internationale Initiative zur Finanzierung von Programmen zum Kampf gegen Armut und zur Bewahrung des Planeten. Sie ist aus den Debatten rund um die großen Klimagipfel entstanden. Salls Status als ehemaliger Staatspräsident garantiert ihm außerdem weiterhin Zahlungen des senegalesischen Staates, wie z.B. eine Pension und Krankenversicherung. Der Staat stellt ebenfalls Fahrzeuge und Wohnung sowie Bedienstete und kommt für Flüge auf, alles insgesamt im Gegenwert von ca. 20.000 EURO[28] pro Monat [29]. Macky Salls Favorit für seine Nachfolge, der ehemalige Premierminister und Präsidentschaftskandidat Amadou Ba, befindet sich nun hingegen in der ungewohnten Rolle als Anführer der Opposition[30].

Um seine ehrgeizigen politischen Ziele durchzusetzen, wird der neue Präsident vor allem auch die Unterstützung des Parlaments benötigen. Aus diesem Grund wird es von vielen Beobachtern als wahrscheinlich angesehen, dass Diomaye Faye in den nächsten Monaten Parlamentswahlen einberufen wird, um hier entsprechende Mehrheiten zu sichern – diese Möglichkeit steht ihm politisch offen. Auch in Senegal gilt deswegen die alte politische Weisheit – nach der Wahl ist vor der Wahl.

 

 

[1] https://www.dakaractu.com/Le-plus-jeune-president-du-Senegal-prete-serment-devant-ses-pairs-africains_a246583.html

[2] https://www.seneplus.com/politique/un-symbole-du-chef-de-letat

[3] https://www.seneweb.com/news/Politique/diomaye-president-sonko-premier-ministre_n_437323.html

[4] https://www.pulse.sn/news/politique/un-gouvernement-de-25-ministres-et-5-secretaires-detat/xm3em7b

[5] https://www.fonctionpublique.gouv.sn/Le-secretaire-general

[6] https://www.rfi.fr/fr/afrique/20240405-s%C3%A9n%C3%A9gal-le-premier-ministre-ousmane-sonko-pr%C3%A9sente-son-gouvernement-de-rupture

[7] https://aps.sn/general-birame-diop-un-ancien-cemga-a-la-tete-du-ministere-des-forces-armees/

[8] https://www.pressafrik.com/Qui-est-le-general-Jean-Baptiste-Tine-nouveau-ministre-de-l-interieur_a271250.html

[9] https://fr.wikipedia.org/wiki/Moustapha_Mamba_Guirassy

[10] https://www.seneweb.com/news/Politique/gouvernement-les-feministes-en-colere-co_n_437580.html

[11] https://www.sudquotidien.sn/de-la-necessite-dinclure-les-femmes-dans-les-instances-de-prise-de-decision-pour-une-gouvernance-veritablement-democratique/

[12] https://www.dakaractu.com/Cumul-de-fonctions-La-forte-annonce-du-PM-Ousmane-Sonko-un-delai-d-un-mois-donne-aux-ministres_a246747.html

[13] https://www.dakaractu.com/Cout-de-la-vie-Le-President-Bassirou-Diomaye-Faye-annonce-des-mesures-fortes-dans-les-prochains-jours_a246653.html

[14] https://www.rfi.fr/fr/podcasts/reportage-afrique/20240131-s%C3%A9n%C3%A9gal-%C3%A0-dakar-les-prix-des-loyers-explosent-4-5

[15] , so Diomay

[16] https://senegalpolitique.org/revue-critique-des-contrats-petroliers-et-gaziers-senegalais-appui-a-la-gouvernance-et-aux-initiatives-de-la-societe-civile-agis-2018/

[17] https://www.sudquotidien.sn/exploitation-petroliere-et-gaziere-letat-le-grand-perdant/

[18] https://www.sikafinance.com/marches/senegal-lor-ne-brille-pas-pour-les-communautes-impactees_42912

[19] https://itie.sn/

[20] https://www.lemonde.fr/afrique/article/2024/03/29/au-senegal-le-secteur-petrolier-et-gazier-dans-l-incertitude-apres-l-election-de-bassirou-diomaye-faye_6224920_3212.html

[21] https://www.dakaractu.com/Emploi-et-formation-des-jeunes-le-President-Bassirou-Diomaye-Faye-promet-d-en-faire-une-priorite-elevee-des-politiques_a246656.html

[22] https://www.dakaractu.com/Programme-du-nouveau-gouvernement-Le-plan-d-actions-attendu-a-la-fin-du-mois-d-avril_a246913.html

[23] CES DOSSIERS BRULANTS QUI ATTENDENT LE GENERAL JEAN-BAPTISTE TINE | SenePlus

[24] https://www.seneplus.com/opinions/le-legs-empoisonne-de-macky-diomaye

[25] https://www.dakaractu.com/Fin-de-regne-au-sommet-de-l-Etat-Le-message-d-adieu-du-President-Macky-Sall-a-la-nation-et-a-ses-militants_a246577.html

[26] https://www.dakaractu.com/De-president-a-voici-la-nouvelle-fonction-de-Macky-Sall_a246644.html

[27] https://pactedeparis.org/

[28] https://www.seneplus.com/politique/le-statut-dancien-president-de-la-republiqu

[29] Sénégal : Les anciens Présidents riches comme Crésus…! ? – DAKARMATIN

[30] https://www.dakaractu.com/Batailles-politiques-Amadou-Ba-reaffirme-sa-posture-d-opposant-et-donne-rendez-vous-a-ses-militants_a246698.html

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